Geschichte der jüdischen Gemeinde Veitshöchheim
In der frühen Neuzeit bilden sich besonders in Süddeutschland viele jüdische Gemeinden auf dem Land. Vor diesem historischen Hintergrund entsteht die jüdische Gemeinde von Veitshöchheim, wo die ersten jüdischen Familien 1644 bezeugt sind. Kontinuierlich wächst die Zahl der Juden in Veitshöchheim, und um 1840 sind es etwa 150 Personen. Sind die meisten Veitshöchheimer Juden im 18. Jahrhundert wie überall in den Landgemeinden einfache Händler in unsicheren wirtschftlichen und gesellschaftlichen verhältnissen, so ändert sich die Situation im 19. Jahrhundert. In einem langwierigen und wechselvollen Prozess wird die rechtliche Gleichstellung der Juden erreicht. Erst ab dann ist es den Juden erlaubt, ein Handwerk auszuüben, Landwirtschaft zu betreiben oder sich den Wohnsitz frei zu wählen.
In Veitshöchheim entstehen einige kleinere jüdische Handwerksbetriebe wie etwa eine Kunstweberei oder eine Schneiderei. Gleichzeitig wandern viele Veitshöchheimer Juden in die nahegelegene Mainmetropole Würzburg und in andere Städte ab, wo sie bessere Lebens-, Beschäftigungs- und Ausbildungsmöglichkeiten vorfinden.
Um die Jahrhundertwende leben zwischen 50 und 70 Juden in Veitshöchheim. Die jüdischen Mitbürger sind in das Gemeindeleben integriert. Viele von ihnen engagieren sich politisch oder gesellschaftlich im Dorfgeschehen. Auch die Teilnahme am Krieg von 1870 und am 1. Weltkrieg ist für die meisten Juden selbstverständlich. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten erkennen viele Veitshöchheimer Juden die verheerenden Zeichen der Zeit und wandern in die Vereinigten Staaten, nach England oder Palästina aus. Die jüdische Gemeinde wird ausgelöscht, als die letzten fünf noch in Veitshöchheim lebenden Juden 1942 in die Konzentrationslager deportiert und dort ermordet werden.
1644 |
Erste Nennung von Juden in Veitshöchheim. |
ab 1709 |
Mehr als 10 jüdische Familien leben im Ort. |
Um 1730 |
Errichtung der Synagoge mit Vorsängerwohnung und Mikwe. |
1744 |
Simon Höchheimer wird in Veitshöchheim geboren. |
1746 |
Der Kultraum der Synagoge geht in den Besitz der jüdischen Gemeinde über. |
1813 |
Erlass des "Edikt(s), die Verhältnisse der jüdischen Glaubensgenossen in Bayern betreffend" (Durchführung in Veitshöchheim 1817). Die Zahl der jüdischen Haushalte in Veitshöchheim wird durch den Matrikelparagraph auf 21 festgelegt. |
1826 |
Die jüdische Gemeinde erwirbt die Vorsängerwohnung und die Mikwe. |
1843 |
Die jüdische Gemeinde erreicht die höchste Mitgliederzahl (ca. 160 Personen). |
1861 |
Abschaffung des Matrikelparagraphen des Edikts von 1813. Von nun an können auch Juden, die im Königreich Bayern leben, ihre Wohnsitze frei wählen. |
1871 |
Durch Reichsgesetz werden die Juden mit den Nichtjuden als Bürger des deutschen Reiches gleichgestellt. |
1881/1882 |
Zuzug der Unterleinacher Juden nach Veitshöchheim. |
1914-1918 |
16 Männer der jüdischen Gemeinde melden sich zum Militärdienst im Ersten Weltkrieg. Julius Kahn, Berthold Klein und Siegmund Sichel fallen im Krieg. |
1925 |
Die jüdische Gemeinde in Veitshöchheim hat 53 Mitglieder. |
1933 |
Noch 36 Juden leben in Veitshöchheim. Zwischen 1933 und 1939 wandern 18 Veitshöchheimer Juden Amerika und Palästina aus. |
1938 |
Übernahme der Synagoge durch die Gemeinde Veitshöchheim. In der Pogromnacht werden ein jüdisches Geschäft verwüstet und jüdische Wohnungen beschädigt. |
1940 |
Umbau der Synagoge zum Feuerwehrgerätehaus. |
1941/1942 |
Deportationen von Juden aus Würzburg und Umgebung in osteuropäische Ghettos oder Konzentrations- und Vernichtungslager, unter ihnen die letzten, noch in Veitshöchheim lebenden Juden. |
1952 |
Die Gemeinde Veitshöchheim erwirbt die ehemalige Synagoge von der "Jewish Restitution Successor Organisation" (JRSO). |
1986 - 1994 |
Wiederherstellung der Synagoge und Einrichtung des Jüdischen Kulturmuseums Veitshöchheim. |